Fischgüter
Chronik 3 > Werra
Fischgüter an der Werra
Von Theodor Schwarz, Heringen-Herfa
Das Recht auf Fischfang gehörte ursprünglich zum gemeinsamen Besitz der freien Markgenossenschaft im frühen Mittelalter. Stadtbürger und Bauern behielten oft noch beschränkte Fischereirechte, als Freiheit und echtes Eigentum in Abhängigkeit an Klöster oder Adlige verloren gegangen war.
Eine wesentliche Beschränkung scheint auch bei der Fischerei in den königlichen Bannforsten eingetreten zu sein. Das war bei uns an der Werra zwischen 747 und 980 der Fall, als das Werratal fuldisch und nach 1003 der Seulingswald hersfeldisch wurden.
Die „Vischeweide" in Seen, Flüssen, Bächen und Teichen übertrugen die Klöster erfahrenen Fischern - teils in Zeitpacht, teils in Erbleihe - gegen wöchentlich zu leistende Fischdienste. Fische waren in früheren Jahrhunderten eine unentbehrliche Nahrung, denn an jedem Freitag, während der 40-tägigen Fastenzeit und vor und während mindestens vier weiterer kirchlicher Festtage durfte kein Fleisch, dafür aber Geflügel und Fisch gegessen werden. Das Recht der Fischerei war an Fischergüter gekoppelt, die am Seulingssee und an der Werra noch 1577 und 1579 existierten.
Ein Fischergut bestand aus einem Fischerhaus mit Hofreide mit Garten und ca. 15 Acker Wiesen. Diese Güter waren im frühen Mittelalter Teil der Fronhofsysteme der Klöster, die von klostertreuen Vögten (= Dienstadligen) verwaltet wurden. Die Fischdienste waren zunächst an die Fronhöfe der Klöster, später an die Burgen der Klostervögte (= Burg Wildeck / Schloss Friedewald) zu leisten. Schon im 15. Jahrhundert wurden diese Wochendienste in jährlich zu zahlende Geldbeträge umgewandelt.
Typische Fischteiche an Werra und Fulda
Die Fischteiche
Im 16. Jahrhundert, kurz nach der Reformation, existierten in der Nähe der Dörfer an der Werra sowie der im 14. Jahrhundert verfallenen wüsten Ortschaften verschiedene herrschaftliche Teiche. Neue Teichanlagen bauten ,,kunstverständige Teich- oder Seegräber", die auch die Mühlgräben anzulegen hatten.
Zum Betrieb der Teiche heißt es in einer damaligen Fischereiverordnung: ,,Einen Teichmeister muss man haben, der die Teiche besetze, besehe und Winters aufhalte und allenthalben zusehe, dass die Teiche keinen Schaden, dass sie rechtzeitig und wieder gefischt werden. Forellen, im Mittelalter Forne genannt, sowie Hechte und Karpfen wurden in Teichen gezogen. Man hielt aber vorwiegend Karpfen und Hechte in einem Teich. Zur Anzucht benutzte man etwa einpfündige Karpfen, zu denen man Hechte einsetzte. Wenn man die Teiche zu lange stehen ließ, wurden die Hechte zu mächtig und verzehrten fast alle Karpfen. Später ersetzte man sie durch Weißfische. Aber zu Beginn des 19. Jahrhunderts ließ man fast alle Teiche verfallen und rekultivierte sie wieder in Wiesen um.
Die Deichwiese in Widdershausen gibt es noch heute als Strassenname und Flurname
Flußfischer, hier Lampertheimer Fischer
Der Fischfang
Die Fischereigewässer hießen Fischweyde. Die einfachste Fangmöglichkeit war die, dass man Reisig oder Flechtwerk in das Wasser legte, mit Steinen beschwerte und mit Pfählen festschlug. Nach einigen Tagen zog man das Reisig wieder heraus und trieb die darunter verborgenen Fische in ringsum aufgestellte Netze.
Vennen, Fischwehre oder Vache waren ein durch Faschinen (= Flechtwerk) verbundenes Pfahlwerk, das von Ufer zu Ufer reichte. An der Werra haben wir in mehreren Ortsnamen die Bezeichnung vach, z.B.: Vacha. Eine ähnliche Art Fischwehr waren die Olfache (= Aalfänge). Nach den hessischen Fischordnungen der Landgrafen waren für die Wanderfische, wie: Lachs, Aal, Kaulbärsch, Grasse, (an der Werra Grümpe oder Backpersch), Brasse (an der Werra Biester genannt) und die Lamprete, an allen Wehren mehrere “Uffgänge" (= Stiegen) anzubringen, vor denen man Reusen auslegte. ,,Die im Interesse der Fuldaschiffahrt 1602 von Landgraf Moritz erlassene Fischverordnung setzte die Zahl der Ohlfache und Fischwehre in der Fulda zwischen Kassel und Rotenburg auf 11 fest und befahl, dass die Fischer dieselben mit Pfählen und schweren Steinen befestigen sollten."
Für die Teichfischerei benutzte man das Zieh- oder Zuggarn, auf den Flüssen den Schragen. Das war ein mit kleinen Maschen geknüpftes viereckiges Netz, an dessen Enden halbmondförmig gebogene Stöcke befestigt waren, die sich in der Mitte kreuzten. Engere, d.h. mindestens 5 Zoll weite Maschen hatte der Hahmen. Er befand sich an einem an einer langen Holzgabel befestigten Bügel. Man durfte ihn nur am Tage benutzen. Das Wurf- oder Werffegarn war ein bleibeschwertes, trichterförmiges Netz, das gegen den Strom gezogen wurde. Die Lausen/Lauschen waren Netze mit 2 Zoll Maschenweite, die von Fischern nur benutzt werden durften, wenn sie keine Nachtschnüre gesetzt hatten. Reusen waren aus Weiden geflochtene lange Körbe.
Fischerboot aus Bad Sooden-Allendorf auf einem Seitenarm der Werra 1937
Die Fischhege
Nach den Ordnungen der Fischereizünfte an der Werra durfte vor dem Petritag (22. Februar) kein ,,Pfahl geschlagen" werden, um durch Reisig oder Flechtwerk Fische anzulocken. (Petrijünger !) Zwischen Ostern und Martini (11. November), später Michaelis (29. September) durfte bei gewöhnlichem Wasserstand nicht mit dem Schragen gefischt werden. Aber schon in den Ordnungen des 16. Jh. endete die Hegezeit am Johannistag (24. Juni) und später auf Pfingsten. Nur der Fang der Wanderfische (Lachse, Lampreten, Aale usw.) wurde unbeschränkt zugelassen.
Das Flachsrösten in den Bächen und das Reinigen der Mühlgräben ohne Aufsicht durch beeidete Fischer wurde untersagt. Eine Mindestgröße für Fische und Krebse wurde den Fischern auferlegt. Die Verordnung von 1711 untersagte das Halten zu vieler Enten, es gebot die Vernichtung aller Fischottern, der Fischadler und Reiher; aber nur dort, wo sie wegen der Reiherbaize nicht gehegt wurden.
Der Fischmarkt
In den Marktorten verkauften die Fischer ihren Fang auf dem Anger/Markt am Fischstein auch an Wochentagen, an denen kein Markttag war. Es wurde 1376 aus Eschwege berichtet, dass man toten Fischen, die dem Fischer nicht abgekauft wurden, den Schwanz (Zagel) abschlagen musste
Bestrafung der Fischdiebe
Den Diebstahl von Fischen aus Teichen bestrafte man bis zu zehnmal härter als aus fließenden Gewässern. So unterzog man vermeintliche Krebsdiebe 1575 einer Tortur, dann verurteilte sie das Halsgericht zum Tode durch den Strang. Ein Gnadengesuch an den Landgrafen, statt der Todesstrafe auf Behandlung mit dem Staubbesen oder Landesverweisung oder Augenausstechen zu erkennen, wurde von ihm verworfen. In der Regel wurde Fischdiebstahl aus Teichen mit einigen Jahren Landesverweisung geahndet.
Der Fischdieb, Bronze-Skulptur von Erwin A. Schinzel.
Die ,,Hauptfische"
Die Anzahl der aus dem Meer aufsteigenden Hauptfische, das waren Lachse und Lampreten (= Neunaugen), verringerte sich schon im 16. Jahrhundert. Die Schuld gab man den vielen, zu hohen Fischwehren und Aalfängen und den fehlenden oder nicht sachgemäß angelegten Wehraufgängen. Nach dem 30-jährigen Krieg waren die Flüsse wieder fischreicher. Vor 150 Jahren blieben Lachse und Lampreten fast völlig aus.
LANDAU berichtete: Bei Allendorf a. d. Werra wurden lt.Rechnungsbelegen im Jahr 1443 um Ostern 45 Stück gefangen. ,,Item, wann ein Lachs in der Werra gefangen wird, ist die Helffte unnsers g. f. und h., unnd bezahlet ihro f. g. die andere Helffte dem Fischer, so ihm gefangen." 1649 fing Landgraf Wilhelm VI. 239 Stück. ,,An der Werra war 1770 ein ungewöhnlicher Fang. Von August bis November wurden von den Fischern und Müllern zu Salzungen, Wasungen, Meiningen, Maßfeld, Einhausen und Belried viele Lachse, zum Theil 20 Pfund schwer gefangen und in die Hofküche geliefert...“.
Bei Philippsthal wurde nach LANDAU im vorigen Jahrhundert etwa alle 3 Jahre einer gefangen, im Jahre 1845 ein 25pfündiger. Die Lamprete galt als Leckerbissen der Fürsten. In der Werra wurden nach LANDAU noch im vorigen Jahrhundert einige von 4 - 5 Pfund gefangen. Von Landgraf Wilhelm IV. wurde gesagt als sich das Hofgesinde über den sauren Landwein beschwerte, ,,man könne in einer fürstlichen Hofhaltung nicht jedem Lampreten braten".
Flußfischer holen das Netz ein
Die Fischergüter an der Werra bei Heringen und am Seulingssee
Im ,fuldischen Zipfel' des Werratales bei Heringen gab es seit dem frühen Mittelalter vier und am nahen Seulingssee bei Kleinensee, der ebenfalls zur Abtei Fulda gehörte, zwei Fischer. Die ersten Nachrichten über Werrafischer in Heringen können wir dem ,Codex Eberhardi des Klosters Fulda' entnehmen, der um 1160 erstellt wurde. Für die Aufzeichnungen benutzte der Mönch Eberhard ,Urbare' (= Vorlagen), die aus der Zeit des Abtes Richard (1018 - 1039) stammten.
,,De Heringen duobus piscatoribus detur quicquiddebent habere.“
Dieser Text im gekürzten Kirchenlatein heißt: Das Dorf Heringen hat zwei fuldische Fischer zu unterstützen. Heringen war damals eine ,Villication" ein Verwaltungssitz der fuldischen Besitzungen im Werratal mit einem Villicus, einem Verwalter Diese Dienstadelsfamilie des Klosters nannte sich: von Heringen. Sie führte in ihrem Siegel ,drei Fische' und brachte schon 1325 den Orts- und Familiennamen Heringen mit Fischen in Verbindung. Im gleichem Codex finden wir an anderer Stelle für den fuldischen Verwaltungsbezirk Heringen vier Fischer aufgeführt, damit sind die beiden Heringer-, das Lengerser- und das Widdershäuser Fischergut gemeint.
Die hessischen Landgrafen erwarben in einer Zeit des wirtschaftlichen Niedergangs der Ritterschaft von den kleinen bisherigen Dienstadligen deren Eigenbesitz, aber auch deren Verwaltungs-, Jagd-, Fischerei- und Gerichtsbarkeitsrecht als Vögte über Fuldaer Klosterlehen. So kamen Anfang des 15. Jahrhunderts Schloss Wildeck mit Rasdorf, Hönebach, der Seulingssee sowie das Gericht Heringen unter die Verwaltung des hessischen Landgrafen.
1471 heißt es: Item zcu Heringen uß dem gerichte gefellet diß nachgeseht gelt in unsers gnedigen heren Kamer
Nemlich vom Seulingessehe an golde 2 gulden.
Geben Apel holtzen und Heinrich czynnen (= Zinn)
Item, Andreas Colhusen, gibt von der Fischweide 1 gulden.
lt, Heinrich Fischen gibt von derselben Fischweide 1 gulden.
lt, die Heiwigen, gibt von eyner Fischweide auch doselbst 1 gulden.
lt, die Helwigen, gibt dem Fischwasser zcu Wederoldeshusen 6 schock und 4 pfg.
Erschinet alle uff Michaelis.
Rechnungsbelege der landgräflichen Kanzlei weisen für 1484 aus, daß der Friedewalder Amtsvogt für Schloßgäste ,,uff die fronfasten exaltationis crucis (= Kreuzerhöhung) und uff sant Mathis abent" von dem Fischer Hans Hatzel, Widdershausen, für 3 fl. (= Gulden), von Fischer Heinz zu Lengeres für 1 fl. 6 böhmisch 4 hln und offenbar von dessen Sohn ... dem Jüngeren zu Lengeres für 1 fl. 6 alb. 4 hln Fische abgekauft hat.
Die ,,Vischwasser" an der Werra
Die Fischwasser an der Werra im Bereich der Wüstung Geidenstadt (= zwischen Harnrode und Heimboldshausen) teilten sich von Oben inn dem Hahdt von des Alten Amtenschinders wysen ...,, an bis zur Harnröder/Lengerser Landwehr (= Gemarkungsgrenze) der Landgraf und der Creutzberger Probst (= hersfeldisches Kloster Creutzberg, heute Philippsthal). Die Fischereigerechtigkeit werraabwärts bis zur Marbach, die heutige Landesgrenze bei Dankmarshausen, gehörte allein dem Landgrafen. In diesem Werraabschnitt befanden sich vier Fischergüter. Zu jedem Fischergut gehörten jeweils behausung, hobereidt, garten und ca. 17 Acker wiesen an der Werra. Sie können nachgewiesen werden: ein Gut in Lengers, zwei in Heringen und eins in Widdershausen. 1553 und 1579 bezahlten die mit einem Gut belehnten Fischer jeweils 8 Gulden, auch wenn es schon aufgeteilt war. Alle Hauptfische, das waren Lachse und Lampreten, mußten im Schloß Friedewald abgeliefert werden, auch die, die die Müller in Lengers, Heringen und Widdershausen fingen.