POW Camp Stobs - Widdershausen aktuelles Projekt

Chronik Widdershausen
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POW Camp Stobs

Chronik 3 > 1.Weltkrieg

POW Camp Stobs near Hawick/Scotland

Das zentrale schottische Internierungslager Stobs bei Hawick in Südschottland wurde im November 1914 eingerichtet und sollte mit einer geplanten Kapazität von 12.000 eines der größten Großbritanniens werden. Letztlich wurden jedoch nur maximal 4.500 untergebracht. Die gesamte Anlage war von Stacheldrahtzaun umgeben und nachts beleuchtet. Die 2.377 Internierten im Juni 1915 setzten sich zusammen aus 1.098 Zivilisten, 783 Soldaten und 496 Matrosen.

POW Camp Stobs, Ankunft deutscher Kriegsgefangener, in der Stobs Railway Station bei Hawick/Scotland
POW Camp Stobs, Hüttenlager 1917, Hawick/Scotland, Quelle: Nachlass Nikolaus Trieschmann
Das Lager war in die Camps A und B (Zivilisten) sowie die Camps C und D (Soldaten) eingeteilt. Jedes Camp bestand aus 40 Wohnhütten, 6 mal 36 Meter, mit durchschnittlich 33 Insassen. Badehäuser mit Warmwasserversorgung standen zur Verfügung.
Die Hütten 1-20 in Camp A waren belegt mit Deutschen aus London, Middlesbrough, Glasgow Edinburgh und von Schiffen genommenen Zivilisten. Der Abteilungsälteste (Chief Captain) war A. Winter aus Hütte 7. Die Hütten 21 bis 40 waren belegt mit Leuten aus Manchester und Liverpool, Abteilungsältester war hier Dr. chem. Marle aus Hütte 40.Jede Hütte hatte auch einen Stubenältesten.
POW Camp Stobs, Stacheldrahtzaun 1917, Hawick/Scotland, Quelle: Nachlass Nikolaus Trieschmann
Ein aus Insassen zusammengesetzter Lagergerichtsausschuss (Board of Justice) schlichtete kleinere Streitigkeiten unter den Gefangenen. In den Abteilungsküchen und der Backstube arbeiteten nur deutsche Köche und Bäcker.

Am südlichen Ende des Lagers befand sich ein Feldkrankenhaus. Unter der Leitung eines britischen Militärarztes arbeiteten dort auch zwei internierte deutsche Ärzte und mehrere deutsche Pfleger. Außerhalb des Lagers wurde ein kleiner Friedhof eingerichtet, auf dem im Laufe der Zeit 36 Soldaten und sechs Zivilisten begraben wurden. Einer von ihnen war Wilhelm Klein, ein 37-jähriger Friseur, der aus Südengland nach Stobs gebracht worden war. Am 19. September 1915 fand man Karl Klein erhängt am Fenster im Feldkrankenhaus. Er gehörte zu den Seeleuten, die beim Untergang des Panzerkreuzers Blücher in Gefangenschaft geraten sind. Klein war 26 Jahre alt und verheiratet. Im Juni 1916 starb der Arzt Walter Gellhorn in einem Untersuchungsraum des Hospitals an einer Überdosis Morphium.
Das Kriegsgefangenenlager Stobs Camp auf einer Karte im Maßstab 1:2500 in Roxburghshire aus 1917
Zwei Briefe pro Woche durften abgesandt werden. Erhaltene und abgesendete Sendungen mussten vom Zensor abgestempelt sein. Damit konnte im Wesentlichen nur Belangloses - auf keinen Fall Kritisches - an die Außenwelt gelangen. Um Depressionen zu lindern, wurden zahlreiche Aktivitäten verfolgt. Die Lagerzeitung "Stobsiade" ging zunächst durch die Lagerzensur und erschien seit September 1915 zweimal monatlich zum Preis von einem Penny. Sie konnte auch von Deutschland aus abonniert werden, der Versand ins Ausland musste direkt von der Druckerei in Hawick aus erfolgen, die Redaktion vom Lager aus durfte keine Exemplare verschicken. Exemplare, zu denen Gefangene Zugang gehabt hatten, hätten nämlich für Mitteilungen genutzt werden können, die auf diese Weise der Zensur entgingen.
POW Camp Stobs, Lagerzensur 1917, ausgehende Post wurde durch den Lagerzensor geöffnet
Postkarte vom Stobs Camp aus der Hütte 89 von Nikolaus Trieschmann an seinen Vater Georg nach Widdershausen
Der Postmeister im Stobs Camp
Postamt im Stobs Camp
Die deutschen Gefangenen hatten eine eigene Lagerzeitung "Stobsiade", die erste Ausgabe erschien im Januar 1915
Die Lagerzeitung "Stobsiade"kam auf 25 Ausgaben mit je 4000 Exemplaren und wurde bis Januar/Februar 1919 - kurz vor der Auflösung des Camps - weitergeführt.
Sportfeste wurden regelmäßig abgehalten, zum Beispiel am Sonntag, den 8. August 1915 in Camp B. Unter Begleitung der Camp-Kapelle erfolgte um 13:00 Uhr die "Aufstellung sämtlicher Teilnehmer auf dem Turnplatz hinter der Kantine und Abmarsch zum Festplatz." Sowohl Zivilisten als auch Soldaten nahmen an dem Wettkampf teil. Um 20:00 Uhr gab es die "Siegerverkündigung auf dem Turnplatz darauf Umzug durch das Lager."
Auch Gottesdienste wurden durch den ebenfalls internierten Pastor Planer der Edinburgher deutschen evangelischen Gemeinde, in der Kantine abgehalten. Als Planer im April 1915 die Erlaubnis zur Ausreise erhielt, bemühte er sich erfolgreich, Pastor Abraham aus Middlesbrough für die Fortsetzung der seelsorgerischen Arbeit zu gewinnen. Ein holländischer Priester aus Hawick hielt katholische Gottesdienste.
Kriegsgefangenenlager Stobs Camp, Innenansicht einer Hütte, Quelle: Imperial War Museum
Ferner gab es je einen Sportverein in Camp A und B, zwei Militärgesangvereine, einen Zivilgesangverein, einen Theaterverein, mehrere Instrumentalensembles sowie eine Bibliothek. In Camp A Hütte 21 bot eine Lehrvereinigung unter Sprachlehrer Heinike aus Manchester Sprachunterricht für Zivilisten an. Die Lehrvereinigung in Camp B/Hütte 76 wurde von Vize-Feldwebel von Napolski geleitet und bot z.B. Deutsch, Rechnen, Stenographie und Geschichte an.
Im Allgemeinen scheinen die Zustände in Stobs den Umständen entsprechend befriedigt gewesen zu sein. Das ist der Tenor der zitierten Inspektionsberichte, der Augenzeugenberichte von Anwohnern, und das befanden auch die Liverpooler Internierten.
Nikolaus Trieschmann aus Widdershausen, Jahrgang 1892, verbrachte seine Gefangenschaft im Stobs Camp vom April 1917 bis November 1919, hier vom Fotografen J.P. Cooper aus Glasgow
Exercise Book von Uffz. Nikolaus Trieschmann aus Widdershausen 1917, mit nichtmilitärischen Aufzeichnungen z.B. die Krankheiten der Obstbäume
Nikolaus Trieschmann aus Widdershausen, Jahrgang 1892, verbrachte seine Gefangenschaft im Stobs Camp er war Mitglied im Landwirtschaftlichen Verein des Stobs Camps 1918, hier vom Fotografen J.P. Cooper aus Glasgow
Ein Gefangener war Landwirtschaftsprofessor und gab Seminare im Landwirtschaftlichen Verein des Stobs Camps, hier die Titelseite mit dem Titel "Die Düngung der Gemüse- und Obstgärten"
Seminare im Landwirtschaftlichen Verein des Stobs Camps, hier die erste Textseite der Mitschrift durch Nikolaus Trieschmann, sie beginnt mit der Düngung des Gemüselandes und es folgt die Düngung der Obstgärten
Bis April 1916 war die Lagerbesatzung auf 4592 angewachsen: 1821 Soldaten, 502 Matrosen und 2269 Zivilisten. Unter letzteren befanden sich 178 Österreicher und zwei Türken. Am 5. Juli 1916 wurden dann die Zivilisten in andere Lager verlegt, die Mehrzahl "nach jenem öden Flecken Knockaloe auf der Insel Man." Das Stobser Zivilistencamp war am Morgen nach der Verlegung entvölkert. Stobs wurde jetzt ein reines Kriegsgefangenenlager. Die Aktivitäten blühten weiter. 1917 wurden die Weiterbildungskurse von 3500 Schülern besucht und von 67 Lehrern unterrichtet.
Stobs Camp Hüttenlager im Winter 1914 mit einer Baracke im Bau und Blick auf den Löschteich und den Versorgungsbaracken (Meat Store, Coal Store, Post-Office und die Bäckerei)
Der Friedhof der deutschen Kriegsgefangenen vom Stobs Camp im Jahre 1917, Foto: J.P. Couper Glasgow
Trauerzug zur Beerdigung eines deutschen Kriegsgefangenen zum Friedhof Stobs Camp im Jahre 1917, Foto: J.P. Couper Glasgow
Nikolaus Trieschmann kam 1919 aus englischer Kriegsgefangenschaft zurück nach Widdershausen. In den fast 2 Jahren im Stobs Camp und in der Umgebung von Hawick lernte er bei Arbeitseinsätzen die Schafzucht und auch das schottische Nationalgericht Haggis kennen.
Kaum zurück in Widdershausen baute er sich auch eine kleine Schafzucht auf und im Winter wurde auch immer ein Hammel geschlachtet.
Nach dem Schlachtfest gab es auch immer ein Gericht names "Gumbes", welches Nikolaus in einem Schafsmagen mehrere Stunden kochte.
Erst viel später als Erwachsener wurde mir klar, dass Nikolaus das Rezept hierfür aus der schottischen Kriegsgefangenschaft mitbrachte. Es handelte sich hierbei um Haggis, die Schotten schwören auf ihr Nationalgericht.
Zugegeben, die Zutaten für Haggis sind für unser Verständnis nicht unbedingt appetitlich.  Und viele, die sich einmal an Haggis heran getraut haben, geben den Schotten recht.
Zusammen gehalten wird Haggis durch Schafsmagen, der wie ein Darm bei einer Wurst die äußere Hülle bildet. Im Inneren befinden sich Herz, Lunge, Leber und Zunge des Tieres. Alle Zutaten werden für Haggis sehr fein gehackt oder durch den Fleischwolf gedreht. Optisch erinnert ein gekochter Haggis ein wenig an Grützwurst.
Zwei, noch ungekochte Haggis, das schottische Nationalgericht.
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