Spinnstube
Dorfleben
Eine Spinnstube in Unterweissbach 1909
Eine Spinnstube in Roth 1928
Spinnstuben in Widdershausen
Die Leinenbearbeitung als bäuerlicher Nebenverdienst
Unter den Nebenverdiensten unserer ländlichen Bevölkerung ist an erster Stelle die Gewinnung und Verarbeitung des Flachses und das Weben der Leinwand zu nennen. Kein anderes Gewerbe ist so alt und war deshalb so tief mit dem Leben des Landvolkes verschmolzen und so verbreitet wie die Spinnerei und Weberei. Schon im 12. Und 13. Jahrhundert war sie ein Nebenerwerb unserer Vorfahren. Das Garnspinnen und das Leineweben gehörte bis in die letzten Jahrzehnte des vorigen Jahrhunderts zu den Winterarbeiten. Das Spinnen war eine Tätigkeit der Frauen, dagegen war das Weben eine Männerangelegenheit.
Schon in sehr früher Zeit unterschied man drei Arten von Webern:
- Die Selbsterzeuger, die den Flachs selbst anbauten und zu Leinwand verarbeiteten. Es waren die Bauern.
- Die Weber, die von anderen das Garn kauften und das fertige Tuch auf den Markt brachten. Es waren die „Geringen Leute“.
- Die Lohnweber, meist arme Leute, deren Webstuhl im Auftrag eines dritten klapperte, und die sich bei geringem Verdienst rechtschaffen durch das Leben schlagen mußten. In Heringen gab es im Jahre 1771 elf Leineweber und zehn Garnspinner.
Bei der Spinnerei bediente man sich eines einfachen Spinnrades. Die ganze Familie war bei der Verarbeitung des Flachses und der Anfertigung der Leinwand in irgendeiner Weise beteiligt. Schon 12-jährige Kinder verstanden das Spinnrad zu drehen. Und so war es keine Seltenheit, daß Kinder mit 12 Jahren, um das Handwerk zu erlernen, woanders in die Lehre mußten. Der Amtmann Bilstein aus Obergeis regte 1730 an, die Lehre für die 12-järigen zu verbieten. Vom Herbst bis etwa zum Weihnachtsfest wurde tüchtig gesponnen. Auch das Gesinde hatte neben seiner täglichen Arbeit wöchentlich 15 Gebinde abzuliefern.
“Spinnstube” mit Schafwolle in Widdershausen im Jahre 1953 in der ehemaligen Gastwirtschaft “Zum Stern” Nikolaus Trieschmann bzw. Gaststätte zum Stern Heinrich Koch, von links: Luise Trieschmann, Eva-Elisabeth Ruch, Marie Eitzeroth (Schmieds Marie), Elisabeth Trieschmann (Brückengässer Lieschen), unbekannt (Sudetenland), Eva-Elisabeth Mötzing, Zinn’s Liese, Volkenand (Winnen) und in der Mitte Werner Koch.
“Spinnstube” mit Schafwolle in Widdershausen im Jahre 1953 in der ehemaligen Gastwirtschaft “Zum Stern” Nikolaus Trieschmann bzw. Gaststätte zum Stern Heinrich Koch, hier Elisabeth Trieschmann (Brückengässer Lieschen)
In den Spinnstuben war das Jungvolk wie Burschen und Mädchen mit eifrigem Spinnen beschäftigt. Doch, so erzählen uns die alten Leute, war auch noch Zeit für manchen Scherz.
Quelle:
Theodor Schwarz, 650 Jahre Herfa 1335-1985, Chronikausschuß Herfa 1985