Grenzausbau - Widdershausen aktuelles Projekt

Chronik Widdershausen
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Grenzausbau

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Grenzausbau und Zwangsevakuierung

Die Zwangsaussiedlung der Familie Mosebach
Wenn man heute in Vacha auf einem Acker nahe der ehemaligen Grenze spazieren geht, kann man noch die Überreste eines großen Hofes entdecken, der 1974 den Grenzmaßnahmen der SED zum Opfer fiel. Im Volksmund wurde der Hof Mosebach „Räser-Becker-Hof“ genannt, da dieser als Entschädigung für die an der Ulster gelegene „Räsaer Mühle“ 1925/26 gebaut worden war, welche Werner Mosebachs Ureltern, namentlich Becker, gehörte und in den 20er Jahren dem Kalibergbau weichen musste. Zu dem Anwesen zählten ein großes Wohnhaus, eine Scheune, ein Bienenhaus, ein Holzschuppen und Ställe für Kühe, Pferde und Kleintiere.
Der Hof Mosebach im Grenzgebiet zwischen Vacha und Philippsthal, von Vacha aus gesehen
Der Hof Mosebach auf einer alten Postkarte vom Grenzgebiet zwischen Vacha und Philippsthal
Es ist der 28. August 1974. Der 19jährige Werner Mosebach ist gerade an der Arbeit in Helmstedt, als er ein Eiltelegramm erhält. Nachdem er den Inhalt gelesen hat, ist er fassungslos: in dem Telegramm wird ihm mitgeteilt, dass der Hof Mosebach, sein Zuhause, geräumt wird und dass er unverzüglich nach Vacha kommen müsse.
Gegen 9 Uhr morgens traf ein Zug von LKWs in Vacha ein. Das Ziel war der im Vachaer „Stoff“ gelegene Hof Mosebach, der geräumt werden sollte.

Zu dieser Zeit befanden sich die Großeltern von Werner Mosebach, seine Eltern und sein 16jähriger Bruder im Haus. Man kündigte der Familie an, dass man den Hof aufgrund der politischen Lage räumen müsse und die Bewohner umgesiedelt würden.
Die Kampftruppen gaben der Familie eine halbe Stunde, um alles Wertvolle einzupacken. Währenddessen kümmerte sich ein Teil der Männer um den Transport der Möbel.
Allerdings gingen sie mit dem Eigentum der Familien Franz und Becker schändlich um. So erzählt Werner Mosebach, dass die Männer „ die Möbel lediglich ankippten und einfach die Treppen hinabrutschen ließen“. Anschließend luden sie das Inventar auf die LKWs. Andere Mitglieder der Kampftruppe halfen nicht beim Räumen des Hofes, sondern besetzten einige Zimmer des Hauses und genossen ihr Frühstück oder entwendeten sogar Besteckkästen, Bierkrüge, Dreschflegel und das messingbesetzte Pferdegeschirr. Einige Männer buddelten die Granitsteine aus dem Hofpflaster aus und nahmen sie mit.

So kam es, dass die Familie die Wohnung größtenteils alleine ausräumte, obwohl dies zunächst von den Leitern der Aktion so nicht vorgesehen war.
Am späten Abend des 28.August wurde ersichtlich, dass der Bauernhof nicht wie geplant an einem Tag zu räumen war. Aus diesem Grund wurde die Aktion um einen Tag verlängert. Die Familie Becker/ Mosebach verschaffte sich Zutritt zu dem Grundstück, welches bis vor wenigen Stunden noch ihnen gehört hatte und packte ihr restliches Hab und Gut zusammen.
Am 30.August 1974 wurde der Räser-Becker-Hof gesprengt und der Schutt in ein Bohrloch des Kalibetriebes an der Bahnstrecke Vacha-Philippsthal versenkt.

Der siebenköpfigen Familie teilte man eine Wohnung im Steinernen Haus zu. Doch das Haus war in einem katastrophalen Zustand. „Wenn es regnete, zog die ganze Feuchtigkeit in das Sandsteingemäuer“, erzählt Werner Mosebach: „Es roch eigenartig in den Zimmern, die Wäsche in den Schränken war häufig feucht! Wir fanden auch bald heraus, woran dies lag – im Haus schimmelte es!“ „Es ist ja kein Wunder, warum wir ständig krank waren“, klagt Frau Mosebach, die nach der Umsiedlung in die Familie einheiratete und ebenfalls im Steinernen Haus lebte.

Noch heute leuchten die Gesichter der Familie, wenn sie an den Mauerfall denken. Als Frau Mosebach ihrem Mann erzählte, dass die Grenze offen sei, habe er es kaum glauben können, erzählt Werner Mosebach. Er und seine Frau taten das, was viele Vachaer an dem Tag der Wiedervereinigung unternahmen, sie überquerten mit der ganzen Familie die Werrabrücke, die von vielen heute die „Brücke der Einheit“ genannt wird.

Recherchiert und aufgeschrieben von Kathrin Züchner.
Quelle: www.kleiner-grenzverkehr.de/mosebach.htm
Mühlen im Grenzgebiet

Zwei Mühlen, die Steinhäuser Mühle (1961 abgerissen) der Familie Hassebrauk und die Sandmühle (1971 abgerissen) der Familie Führer, unmittelbar in der Nähe an der Landesstraße gelegen, wurden geschleift, um die Sicht- und Schussfreiheit abzusichern. Die Familien wurden in das Dorf Dankmarshausen umgesiedelt.
Der kaum nachvollziehbare Grenzverlauf in diesem Gebiet hat in der Jahrhunderte alten Geschichte immer wieder zu Verwirrungen und Streitigkeiten geführt, die oft nur auf höchster Regierungsebene bereinigt werden konnten. Beispiele gibt es viele, doch keine Generation hat unter einer Grenzziehung so gelitten wie die gegenwärtige.

So gehörten die jetzt hessischen Gemeinden Kleinensee, Bosserode und Raßdorf bis 1733 zu Thüringen, ihre Zugehörigkeit zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen wurde erst nach der Wiedervereinigung offiziell beendet.

In einem weiteren Fall wird in alten Schriften von 1736 über einen toten Müller und dessen Ehefrau aus der Steinhäuser Mühle berichtet. Man stritt, ob die Toten in Dankmarshausen (Thüringen) oder Bosserode (Hessen) zu beerdigen seien. Heimlich wurden dann die Toten in den frühen Morgenstunden nach Dankmarshausen gebracht und dort in aller Stille beerdigt.
Die ehemalige Sandmühle im Grenzbereich zwischen Kleinensee und Dankmarshausen, kurz vor dem Abriß
Gedenkstein der Familie Führer am ehemaligen Standort der historischen Sandmühle
Die Steinhäuser Mühle lag in Sichtweite der Sandmühle im Grenzgebiet
Die ehemalige Sandmühle im Grenzbereich zwischen Kleinensee und Dankmarshausen
Die Mühlenspitze mit Sandmühle und Steinhäuser Mühle im Grenzbereich zwischen Kleinensee und Dankmarshausen
Die Mühlenspitze mit Sandmühle und Steinhäuser Mühle im Grenzbereich zwischen Kleinensee und Dankmarshausen auf der Generalstabskarte des Johannes Schleenstein von 1704-1710
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