Werraschreck 1952
Chronik 2 > Zonengrenze
Werraschreck an der Zonengrenze
Die Grenzpolizei (GP) wurde 1946 zunächst als Hilfsorgan der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) bei den Polizeien der Länder vorrangig zur Überwachung der Demarkationslinie zwischen den Besatzungszonen in Deutschland gebildet und von den Abschnittskommandos der sowjetischen Truppen operativ geführt.
Um die Grenze überqueren zu können, benötigten Deutsche Interzonenpässe, die bei den Besatzungsbehörden beantragt werden mussten. Diese Pässe hatten eine Gültigkeitsdauer von 30 Tagen und wurden für dringende familiäre Angelegenheiten und Geschäftsreisen ausgestellt.
Für Bürger der sowjetischen Besatzungszone galten die Genehmigungen nur mit Einschränkungen. Sie konnten den Westen aber über die Sektorengrenze in Berlin oder illegal über die innerdeutsche Grenze (Grüne Grenze), die zunächst noch schwach bewacht war, erreichen.
1952 gab es an der Zonengrenze zur sowjetischen Besatzungszone (SBZ) eine Reiterstaffel der Grenzpolizei, diese gehörte zur Kommandantur in Berka an der Werra.
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links: Hauptwachtmeister Korbiun (im Volksmund der Werraschreck) in der Uniform der Grenzpolizei SBZ mit Karabiner 98 am Sattel des Pferdes 1952
rechts: Reiterstaffel der Deutschen Voklspolizei/Grenzpolizei beim Reitunterricht am 23. April 1952
rechts: Reiterstaffel der Deutschen Voklspolizei/Grenzpolizei beim Reitunterricht am 23. April 1952
Die Hessischen Nachrichten berichten am 16. Juni 1952 von einem Grenzzwischenfall:
Mordbuben am Werk
Widdershausen. 15. Juni (Eig. Ber. - hm). Am Samstag wurden der 50 jährige Landwirt Adam Stahl aus Dankmarshausen (Sowjetzone) und sein 15 jähriger Sohn, die von einem Verwandtenbesuch in Widdershausen (Kreis Hersfeld) zurückkehrten, im Bereich des 10-Meter-Kontrollstreifens von zwei berittenen Volkspolizisten von der Reiterstaffel Berka gestellt.
Die Vopos zogen ihre Pistolen und feuerten aus nächster Nähe auf die beiden mehrere Schüsse ab, unter denen der Vater, in den Kopf und ins Bein getroffen, zusammenbrach.
Während Stahls Sohn verhaftet und von den Vopos mitgenommen wurde, wurde der schwerverletzte Vater in ein Kornfeld geschleift und erst eine Stunde nach dem Vorfall in einem Krankenwagen nach Gerstungen (Ostzone) abtransportiert.
Der Vorgang wurde von Einwohnern aus Dankmarshausen und einer Streife des Bundesgrenzschutzes beobachtet.
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Deutsche Grenzpolizei im November 1956 - Bei einer Kontrolle des 10m-Kontrollstreifens wurde eine Fußspur festgestellt. Der angesetzte Fährtenhund bei der Aufnahme der Spur.
August 1952: Flucht in den Westen
Ursula Bachmann, geb. Salzmann, flüchtete als junge Frau aus ihrem Heimatort Dankmarshausen in den Westen im Bereich Dankmarshausen-Marbach. Sie überwand den einfachen Stacheldrahtzaun nahe der Grenzlinie und kam ungehindert nach Widdershausen/Hessen.
Dort meldete sie sich bei ihrer Schwester Käthe, die bereits 1950 geflüchtet war. Später heiratete sie den Obersuhler Fritz Bachmann. Ursula Salzmann berichtet über ein ungewöhnliches Ereignis:
"1953 befand ich mich in der Germarkung Widdershausen nahe der Grenze. Unmittelbar gegenüber auf DDR-Gebiet befand sich meine Schwester mit Ehemann und dem dreijährigen Sohn bei der Heuernte. Als der Junge mich sah, lief er zu mir auf Bundesgebiet. In diesem Moment kam der Hauptwachtmeister Korbiun (auch Werraschreck genannt) und nahm meine Schwester zum Verhör mit nach Berka/Werra zur Grenzpolizeikommandantur.
Vorwurf: Verbotene Kontaktaufnahme mit Bürgern aus dem Westen. Sie wurde wieder freigelassen. Ihr Sohn verblieb ein paar Tage bei mir im Westen. Nachdem ich über den Grenzzaun hinweg mit dem Ehemann meiner Schwester einen Termin zur Übergabe vereinbart habe, gelang es mir, unbemerkt den Sohn im Bereich Marbach an den Vater zu übergeben."
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Vier Grenzpolizisten bei der Lektüre der Wochenzeitung der Deutschen Grenzpolizei / hrsg. von der Politischen Verwaltung der Deutschen Grenzpolizei 1953
Hauptwachtmeister Korbiun wurde von den Einwohnern der Grenzdörfer in Thüringen gefürchtet.
Von seinen Kollegen der Grenzpolizeikommandantur in Berka wurde er später als "sehr dienstbeflissen" bezeichnet.
Er hat sich durch sein unmenschliches Verhalten den Namen Werraschreck sehr verdient.