Revolution 1776
Chronik 3 > Kriege
Amerikanische Revolution 1776
12.500 Hessen als Söldner in Amerika 1776-1783
Als sich im Jahre 1775 dreizehn Provinzen vom Mutterland England lossagten, war dieses nicht gewillt, seine Kolonien preiszugeben und führte bis 1783 Krieg gegen die abtrünnigen 13 „Vereinigten Staaten“, die sich für unabhängig erklärt hatten. Zu einer der herausragendsten Episoden der Geschichte Hessens gehört sicherlich die ab dem Jahre 1776 erfolgte Entsendung von Truppen der Landgrafschaft Hessen-Kassel in den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Die Vermietung von Truppen an andere Staaten sollte dazu dienen, die politische Stellung Hessen-Kassels und damit seines Fürsten innerhalb Europas zu stärken und zu verbessern.
Zum Soldaten gepresster Hessischer Landarbeiter in zeitgenössischer Darstellung
Hessische Truppen beim Verlassen der heimatlichen Garnison
Zudem war Hessen-Kassel im 18. Jahrhundert das Land mit dem wohl höchsten Anteil von Soldaten an der Gesamtbevölkerung und lag in dieser Hinsicht sogar noch vor Preußen. Das verhältnismäßig große Heer konnte aber wiederum nur durch die Vermietung an fremde Mächte unterhalten werden, da die eigenen finanziellen Möglichkeiten dazu nicht ausreichten. Die Landgrafschaft Hessen-Kassel, deren Territorium etwa dem heutigen Nordhessen entsprach, war aufgrund der ungünstigen naturräumlichen Begebenheiten (viele Mittelgebirgsregionen mit ausgedehnten Wäldern, wenig fruchtbare Böden, rauhes Klima) ein relativ armes Land. So wurden die Einnahmen durch die Vermietung der Armee zur wichtigsten Finanzquelle der Landgrafschaft. Die Versorgung der Armee mit Uniformierung, Ausrüstung und Verpflegung war überdies ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Bevölkerung. Die finanzielle Abhängigkeit Hessen-Kassels von der Armee ging so weit, daß Landgraf Wilhelm VIII. (1751-1760) seine Armee das Peru Hessens nannte.
Der Subsidienvertrag von 1776
Subsidienvertrag
Die Kehrseiten des Subsidiengeschäfts waren neben den Opfern der militärischen Einsätze ein bisweilen spürbarer Arbeitskräftemangel und das immer umfassendere Eingreifen der Behörden in das Leben der Bevölkerung, mit dem Ziel, die Rekrutierung effizienter zu gestalten.
Von den fast vierzig Subsidienverträgen die Kassel bis zum Ende der napoleonischen Kriege schloß, erregte aber keiner ein so nachhaltiges Aufsehen wie der Vertrag vom 15. Januar 1776, aufgrund dessen Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel (1760-1785) seinem Schwager König Georg III. von England 12.500 Mann für den Krieg gegen die revoltierenden amerikanischen Kolonien zur Verfügung stellte.
Zwar vermieteten auch andere deutsche Herrscher Truppen an England, darunter auch Friedrichs Sohn Erbprinz Wilhelm IX., der selbständig als Graf von Hanau regierte, doch war das hessische Kontingent mit Abstand das größte. Es bestand aus 15 Infanterie-Regimentern, 4 Grenadier-Bataillonen, 2 Kompanien Feldjägern und dem Artilleriecorps. Dazu kamen später noch drei Kompanien Feldjäger zu Fuß und eine zu Pferd.
Von 1776 bis 1783 werden neben den 12500 hessischen Soldaten auch Braunschweiger, Waldecker und Anhalter über den großen Teich geschickt. Landgraf Friedrich II. hatte sie gegen ein Subsidiengeld von 19 Millionen Reichstalern den Engländern zur Verfügung gestellt. Die vermieteten Soldaten blieben unter hessischer Führung, sie hatten hessische Offiziere, ihr oberster Kriegsherr blieb der Landgraf.
Unter denen die ausrückten war auch das Hersfelder Regiment Prinz Carl (links Regimentsflagge). Das Regiment rückte am 21. Januar 1776 von Hersfeld aus, wurde am 23. März in Carlstadt bei Bremerlehe embarquiert und segelte am 17.04.1776 ab. Am 15. August 1776 ging das Regiment bei Staten Island an Land. Es war an der Schlacht von Whiteplane und an der Einnahme von Newport beteiligt, sonst waren sie nur in unbedeutendere Kampfhandlungen verwickelt
Hessischen Soldaten vor der Verschiffung zum Einsatz in der Neuen Welt.
Unter denen die ausrückten war auch das Hersfelder Regiment Prinz Carl (links Regimentsflagge). Das Regiment rückte am 21. Januar 1776 von Hersfeld aus, wurde am 23. März in Carlstadt bei Bremerlehe embarquiert und segelte am 17.04.1776 ab. Am 15. August 1776 ging das Regiment bei Staten Island an Land. Es war an der Schlacht von Whiteplane und an der Einnahme von Newport beteiligt, sonst waren sie nur in unbedeutendere Kampfhandlungen verwickelt
Am 12. November 1783 ging das hessische Regiment Prinz Carl (im Bild links ein Offizier und ein Grenadier aus diesem Regiment) in New York wieder unter Segel und traf am 20. April 1784 in Bremerlehe ein. Am 28. Mai 1784 kehrte das Regiment in seine Garnison nach Hersfeld zurück.
Von den Kriegsteilnehmern aus den Dörfern des Altkreises Hersfeld haben insgesamt 79 Männer den Tod gefunden.
Soldaten des Hersfelder Infanterie Regiments Prinz Carl um 1785, das 1. und 2. Bataillon des Regimentes war in Hersfeld stationiert, das dazugehörige Grenadierbataillon war in Rotenburg stationiert. Zeichnung: Ernst Metz, Eschwege 1956, Museum Bad Hersfeld
Unteroffizier des Hersfelder Regiments Prinz Carl (ab 1805 Landgraf Carl) vor dem Peterstor in Hersfeld, Zeichnung: Ernst Metz, Eschwege 1956, Museum Bad Hersfeld
Die folgenden 12 Soldaten aus Widdershausen haben an diesem Feldzug teilgenommen: | ||
Der folgenden Aufstellung können wir entnehmen, daß von den 12 Widdershäuser Soldaten 2 als gestorben und 3 als desertiert aufgeführt werden.5 sind mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder heimgekehrt da sie kurz vor der Einschiffung nach Europa genannt werden. Das Schicksal von 2 Soldaten ist nicht nachvollziebar, da sie nur vor der Abreise nach Amerika genannt werden. | ||
Cyriacus oder David Eberhard, (Korporal), *1737 od. *1738 in Widdershausen, 3. Kompanie im Regiment von Knyphausen unter Obristleutnant Friedrich Wilhelm v. Minnigerode er wird 1785 in einer Rangierliste (SR399) als beurlaubt aufgeführt, er gehörte dadurch mit Sicherheit zu den Heimkehrern | ||
Johannes Schneider, (Gemeiner), *1748 in Widdershausen, 4. Kompanie im Regiment Prinz Carl unter Obrist Johann Wilhelm Schreiber, er wird im April 1775 in einer Rangierliste (SR470) als beurlaubt aufgeführt und wird 1783 (Stammrolle SR471) nochmals in einer Rangierliste erwähnt, er könnte zu den Heimkehrern gehört haben | ||
Friedrich Ruch, (Grenadier), *1750 in Widdershausen, 4. Kompanie des Grenadier-Regiments Prinz Carl unter Major v. Wilmowsky (Gren.-Bataillon Block), er wird im Oktober 1775 in einer Rangierliste genannt und wird im Februar 1783 (Stammrolle SR556) nochmals in einer Rangierliste erwähnt, er könnte zu den Heimkehrern gehört haben | ||
Konrad Schuchhard, (Grenadier), *1750 in Widdershausen, 3. Kompanie des Garnison-Regt.v.Stein/v.Seitz unter Major Neumann (Grenadier-Bataillon Köhler), er wird im Mai 1776 in einer Rangierliste (SR858) genannt und wird im Februar 1783 nochmals in einer Rangierliste (Stammrolle SR859) erwähnt, er könnte zu den Heimkehrern gehört haben | ||
Georg Wagener, (Gemeiner), *1752 in Widdershausen, 4. Kompanie im Regiment Prinz Carl unter Obrist Johann Wilhelm Schreiber, er wird im April 1775 in einer Rangierliste (Stammrolle SR470) aufgeführt | ||
Daniel Brack, (Gemeiner), *1753 in Widdershausen, 4. Kompanie im Regiment Prinz Carl unter Obrist Johann Wilhelm Schreiber, er wird im April 1775 in einer Rangierliste (Stammrolle SR470) als beurlaubt aufgeführt | ||
Christian Dennert, (Gemeiner), *1754 in Widdershausen, 4. Kompanie im Regiment Prinz Carl unter Obrist Johann Wilhelm Schreiber, er wird im April 1775 in einer Rangierliste (Stammrolle SR470) als beurlaubt genannt u.wird 1783 (Stammrolle SR471) nochmals in einer Rangierliste erwähnt, er könnte zu den Heimkehrern gehört haben | ||
Georg Schneider, (Gemeiner), *1755 in Widdershausen, 2. Kompanie im Regiment Rall unter Obrist Johann Christoph Köhler, er wurde erst im Januar 1781 nach Truppentagebuch (8834/186) rekrutiert und wird schon im Januar> 1782 im Truppentagebuch (8834/188) als an Krankheit oder Unfall gestorben aufgeführt | ||
Christoph Zimmermann, (Grenadier), *1756 in Widdershausen, 1. Kompanie des Regiments Rall/v.Wöllwarth unter Kapitän Bode (Grenadier-Bataillon Köhler), er wird im Mai 1776 in einer Rangierliste (Stammrolle SR858) aufgeführt und wird im August 1777 als desertiert oder übergelaufen im Truppentagebuch (8839A) aufgeführt | ||
Christian Ruch, (Grenadier), *1757 in Widdershausen, 3. Kompanie des Garnison-Regt.v.Stein/v.Seitz unter Major Neumann (Grenadier-Bataillon Köhler), er wird im Februar 1783 in einer Rangierliste (Stammrolle SR859) aufgeführt und wird im November 1783 als desertiert oder übergelaufen im Truppentagebuch aufgeführt | ||
Christian Wagner, (Grenadier), *1757 in Widdershausen, 4. Kompanie des Grenadier-Regiments Prinz Carl unter Major von Wilmowsky (Grenadier-Bataillon Block), er wird im Februar 1783 (Stammrolle SR556) in einer Rangierliste aufgeführt und wird im November 1783 als desertiert oder übergelaufen im Truppentagebuch aufgeführt | ||
Jakob Jung oder Junck, (Tambour), *1759 in Widdershausen, 3. Kompanie des Garnisons Regiments v.Stein/v.Seitz, unter Obrist Karl von Kitzel, er wird Mai 1777 im Truppentagebuch (8865/10) aufgeführt und wird im Oktober> 1779 als an Krankheit oder Unfall gestorben aufgeführt (8865/20) |
Der Präsidenten des amerikanischen Kongresses verspricht bis zu 1000 Acker Land an potentielle hessische Überläufer
Das Garnisons Regiment von Stein, 1778 Seitz, ab 1783 von Porbeck war 1765 in Barchfeld (Schmalkalden, Hersfeld, Bebra, Friedewald, Nentershausen, Schenklengsfeld) stationiert, ab 1776 in Hersfeld
Die Deserteure entliefen ihren Regimentern häufig in Gruppen, und zwar in der Weise, daß sich mehrere Soldaten aus einem Dorf gleichzeitig aufmachten, um in Amerika eine neue Existenz zu gründen. Da vom Kongreß Überläufern Land versprochen wurde (siehe Verordnung des amerikan. Kongresses), war dieser Schritt besonders verlockend für hessische Soldaten, die kein oder nur geringes Vermögen besaßen. Insgesamt 6.000 der „Hessians“ kehrten nicht zurück, 3.500 von ihnen blieben in den USA und 2.500 siedelten in Kanada.
Der Einsatz der hessischen Truppen begann mit dem glänzenden Sieg bei Flatbush am 27.08.1776 wo die Kontinentalen fast 3.500 Mann verloren. „Von dem Tage an ging ein Schrecken vor den hessischen Truppen her, der selbst die tapfersten Amerikaner erbeben machte: sie hatten die Pranke des hessischen Löwen gefühlt“, so jedenfalls schrieb der Schriftsteller Franz Treller in seinem patriotischen Roman „Vergessene Helden“. Bald folgte jedoch der große Rückschlag durch den Sieg Washingtons am 26.12.1776 in der Schlacht bei Trenton. Die Entscheidung fiel schließlich im Oktober 1781 in Yorktown, wo 5.000 Engländer, 1.100 Ansbacher und 850 Hessen vor 15.000 Amerikanern kapitulieren mußten.
Amerikanische Infanterie bei ihrem Überraschungsangriff auf Trenton
Die hessischen Truppen unter Oberst Rall werden in Trenton überrannt
Die Verluste der hessischen Truppen betrugen 535 Gefallene und etwa 1300 Verwundete. Die Zahl der Gefallenen sowie der an Verwundungen, Krankheiten und Unfällen gestorbenen Soldaten lag insgesamt bei rund 5000 Mann. Etwa 2600 Mann gerieten in Gefangenschaft, wurden aber größtenteils während oder am Ende des Krieges wieder ausgetauscht.
Nach dem Friedensschluß 1783 kehrte die hessische Armee in einer Stärke von rund 10.500 Mann wieder nach Europa zurück. Etwa 200 Mann waren zuvor auf eigenen Wunsch in Kanada angesiedelt worden, rund 300 waren schon während des Krieges aufgrund von Krankheit, Alter oder Invalidität nach Hause geschickt worden. Somit ergibt sich ein Fehlbestand von rund 3000 Männern die in Amerika - in der Regel unerlaubt - die hessischen Fahnen verlassen haben.
Die Vermietung als Soldaten an fremde Mächte war für die Hessen nicht ungewöhnlich, neu war für sie jedoch die Verurteilung des Subsidiengeschäfts und die Brandmarkung als Menschenhandel. Die Soldatenhandelsdebatte blieb während des gesamten Krieges ein wichtiges Thema und blieb es in der Geschichte des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges und Hessens bis zum heutigen Tage.
Schüssel aus Milford von 1790 mit Aufdruck: “Du bist mir ein Lieber mann so bald ich Dich gesehen hann”. Liebe einer Amerikanerin zu einem hessischen Jäger auf den ersten Blick zur Silberhochzeit des Paares (aus Inge Auerbach, Die Hessen in Amerika 1996).
Beim ersten Gefecht am 27. August 1776 in Flatbush auf Long Island wurde das per Brief an den Landgrafen nach Hessen gesandte Hearts of Oak erbeutet. Die Rebellen hatten noch keine Uniform und trugen dieses Zeichen an den Hüten.
Quellen:
General Heister an den Landgrafen, Dorf Brokland auf Long Island, 3. September 1776
Inge Auerbach, G. Franz, O. Fröhlich, Hessische Truppen im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (HETRINA), Marburg, 1975
Inge Auerbach, The Repercussions of the American Revolution in Hesse, Oxford, 1989
Inge Auerbach, Die Hessen in Amerika 1776-1783, Historische Kommission für Hessen, Marburg 1996