Pipeline
Chronik 3 > Bergbau
Sorge um die Werra vereint Länder
Frankfurter Rundschau vom 16.03.2007
Politiker befürchten eine weitere Verschmutzung des Flusses durch Salz - und treffen sich erstmals in Kassel.
Erstmals haben die Umweltausschüsse aus Hessen, Thüringen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen eine gemeinsame Anhörung veranstaltet. Der Grund für den historischen Akt ist die umstrittene Pipeline, durch die der Kasseler Düngemittelhersteller Kali und Salz (K+S) Salzlauge in die Werra leiten will.
Kassel - Seit im vergangenen Jahr bekannt geworden war, das K+S über eine Pipeline zwischen Neuhof (Kreis Fulda) und Hattorf (Kreis Hersfeld-Rotenburg) die Abwässer der Halde am Werk Neuhof in die Werra leiten will, regt sich Protest. Für das Projekt hat K+S noch keinen Bauantrag gestellt. In Hessen sprechen sich jedoch bereits Landtagsabgeordnete von SPD, CDU und Grünen gegen das Projekt aus. Auch in Thüringen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen wird Unmut laut. Vor allem wegen möglicher ökologischer, aber auch den ökonomischer Folgen, die eine höhere Salzbelastung des Flusses - etwa für den Tourismus - haben könnte. Der Umweltausschuss des hessischen Landtags hatte deshalb am Donnerstag zu einer Anhörung nach Kassel geladen. Außer Wissenschaftlern äußerten sich von den Umweltpolitikern benannte Vertreter von Verbänden, Behörden sowie Ministerien.
"Die beste Lösung"
Der Leiter des Kali-Werkes in Neuhof, Dieter Friedrich, sagte, K+S habe 16 Alternativen zur Werra-Pipeline geprüft. Alle seien verworfen worden, weil sie entweder keine vollständige oder keine nachhaltige Entsorgung gewährleisten würden. Nach Unternehmensangaben wurde unter anderem das Abdecken der Halde und das Einlagern des Abraums im Bergwerk untersucht. Die Pipeline sei "die beste Lösung", so Friedrich, zudem werde das Unternehmen die Grenzwerte für die Salzbelastung in der Werra auch nach dem Bau der Leitung einhalten.
Stephan Gunkel vom BUND-Thüringen entgegnete, dass bereits die gegenwärtige Belastung weit entfernt von dem sei, was die EU-Gesetzgebung festlege. Während die europäischen Flüsse im Durchschnitt einen Chloridgehalt von 10 Milligramm pro Liter aufweisen, gelte für die Werra ein Grenzwert von 2 500 Milligramm. Der Wert aus dem Jahre 1943 entspreche nicht mehr heutigen Anforderungen. Obwohl sich die Schadstoffbelastung der Werra nach der Grenzöffnung deutlich verbessert habe, sei sie immer noch zu hoch, so Gunkel. Eine Folge: Während es früher 34 Fischarten gegeben habe, seien es heute nur 19. Chemisch sei der Fluss "völlig entfremdet", so die Diagnose von Gerd Hübner vom Fachgebiet Gewässerökologie der Kasseler Uni. Sein Kollege Ulrich Brauckmann kritisierte, "die Werra wird zur ökologischen Opferstrecke für wirtschaftliche Interessen degradiert". Thomas Meinelt vom Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei sagte, dass bereits zwei Prozent Kalisalz im Wasser auf Fische "hochtoxisch" wirken. Ralf Krupp, Geologe an der Kasseler Uni, hält eine Leitung zur Nordsee für eine ökologisch vertretbare Alternative. Die Landtagspolitiker wollten wissen, ob K+S die Nordsee-Pipeline geprüft habe. Für Werksleiter Friedrich ist sie keine Alternative, weil sie nur langfristig realisiert werden könne. Sein Werk brauche sofort eine Lösung. Ferner sei eine solche Variante 1973 geprüft und verworfen worden. Erst durch die aktuelle Debatte sei sie wieder ins Blickfeld gerückt. Naturschützer Gunkel präsentierte ein Dokument von 1942, wonach schon damals über eine Pipeline zur Nordsee nachgedacht wurde. Friedrich sicherte zu, dass K+S dies prüfen werde.
Quelle: Ralf Pasch, Frankfurter Rundschau vom 16.03.2007