Hausschlachtung
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Hausschlachtung
Als Hausschlachtung wird in Deutschland eine Schlachtung außerhalb gewerblicher Schlachtstätten bezeichnet, in der Regel am Hof des Tierbesitzers, wobei das Fleisch ausschließlich im eigenen Haushalt des Tierbesitzers verwendet wird. Die Hausschlachtung ist heutzutage fast ausgestorben. Vor Jahrzehnten war sie auf dem Land bei jeder Bauersfamilie noch selbstverständlich: In der kalten Jahreszeit wurde ein Schwein für den Fleisch- und Wurstvorrat geschlachtet.
Das Schwein wird auf den Hof geführt und mit einem Schussapparat betäubt, im Hintergrund steht schon die Bäuerin mit der Schüssel um das Blut nach dem Abstechen aufzufangen, bei Küchs in Raßdorf 70er Jahre
Das Schwein wurde bereits im Brühtrog im heissen Wasser gewälzt, die Borsten abgeschabt und auf die Leiter umgelagert und wird gleich an der Scheunenwand aufgestellt, bei Küchs in Raßdorf 70er Jahre
Das Schwein hängt bereits an der Leiter und es werden die Innereien entnommen, dann wird das Schwein in zwei Hälften geteilt. Dann wartet man erstmal auf den Fleischbeschauer, bei Küchs in Raßdorf 70er Jahre
Schlachtfest bei Schnee und Kälte
Am Schlachttag waren frühes Aufstehen, warme Kleidung und ein üppiges Frühstück angesagt.
Wenn das Schwein dann von den Männern aus dem Stall geholt wurde und mit einem Strick am Hinterbein mit mehr oder weniger großen Kraftanstrengungen auf den Hof geführt wurde, war es noch dunkel.
Der Dorfmetzger oder der Hausmetzger hat oft in eisiger Kälte draußen auf dem Hof das Schwein geschlachtet. Da war der eine oder andere Schluck Schnaps zum Aufwärmen willkommen. Mit dem Bolzenschussapparat wurde das Schwein betäubt und nachher mit dem Messer abgestochen. Das Blut floß in einem dünnem Strahl in die bereitgehaltene Schale, wo es sofort mit der Hand durchgeschlagen werden mußte. Das Gerinnen sollte verhindert werden. Das Blut wurde für die Herstellung der Blutwurst benötigt und daher aufbewart. Anschließend wurde heißes Wasser über das Schwein gegossen, damit sich die Borsten beim Abschruppen mit den Blechglocken oder Blechschabern leichter ablösten.
Hausschlachtung in Widdershausen bei Kochs in der Brückengasse, das Schwein hängt bereits am Haken, Hausmetzger war über viele Jahre Richard Günther
Die Kinder wurden nicht eingebunden, versuchten aber mit ängstlicher Neugierde möglichst viel vom Geschehen mitzukriegen. Das Schwein wurde früher mit Schlageisen und dickem Vorschlaghammer betäubt, später wurde ein Bolzenschussgerät benutzt. Nach dem Abstechen trat in der Regel eine Frau auf den Plan: das Auffangen und Kneten des Blutes war Frauenarbeit.
Zum Abbrühen und Abschaben von Borsten und Oberhaut wurde das tote Tier auf eine schwere Bank gehoben. Das Heranschleppen von heißem und kaltem Wasser war die erste Arbeit, die man Jugenlichen anvertraute. Anfangs wurden Ohren, Schwanz und Klauen noch sorgfältig gereinigt, später wurden diese Extremitäten abgetrennt und zu den Abfällen geworfen. Das saubere Tier wurde dann auf eine spezielle schwere Leiter gewälzt. Die Hinterbeine befestigte man mit Haken und Ketten an den Leiterpfosten. Das Ganze wurde dann zur Scheunenwand gezogen und steil aufgestellt. An diesem Leitergerüst schnitt der Hausmetzger das Tier bauchseits auf, nahm es aus und spaltete schließlich die Wirbelsäule und den Kopf. Anschließend wurde der erste Schnaps getrunken nach dem Motto: “Ist das Schwein erst hakenrein, muss einer getrunken sein”. Hier kam es schon einmal vor, dass ein anderer Hausmetzger an dieser Stelle alkoholbedingt übernehmen musste.
Hausmetzger Richard Günther beim Flämmen mit einem Gasbrenner des bereits abgeschabten Schweins um die restlichen Borsten zu entfernen
Hausmetzger Kurt Haas (Horen Kärtchen) beim Kneten der Leberwurst - Schlachtfest bei der Familie Hans Schäfer auf dem Ölberg in Widdershausen
Während der Metzger die Innereien trennte und die Därme reinigte und der Trichinenbeschauer erwartet wurde, trat für die restliche Mannschaft eine Pause ein, die mit spaßigen Sprüchen, einem zweiten oder dritten Schnaps gefüllt wurde. Wenn das Schwein den Stempel vom Beschauer erhalten hatte und Kopf, Milz, Gekröse und Beinteile zum Kochen in den Kessel gelegt waren, zog die Schlachtegesellschaft in die Küche oder später in einen fürs Schlachten hergerichteten Kellerraum um. Mit dem Hereintragen der Schweinehälften war die schwere Arbeit beendet. Auf einem schweren Tisch zerlegt der Metzger die Schweinehälften.
hier sieht man zwei Glockenschaber mit denen die Borsten abgeschabt werden
Kartuschen Kaliber 9x17 in verschiedenen Stärken je nach leichtem oder schwerem Vieh
Alter Bolzenschuß-Apparat der Firma Kerner mit Kartuschen und Zubehör
Die Helfer schneiden das für Wurstproduktion vorgesehene Muskelfleisch und den Speck in handgroße Stücke. Nach dem Zerlegen und einem ersten Würzen mit Salz, Pfeffer, Knoblauchbrühe, Muskat, Nelke und Salpeter wird das Fleisch durch den Wolf gedreht. Zwischenzeitlich werden die Schwarten und überschüssige Speckteile zum Kochfleisch gegeben. Nach dem Durchkneten und Nachwürzen des Hackfleisches beginnt die Wurstproduktion. Die Stopfmaschine wird auf den Zerlegetisch gestellt, der Trichter mit Hackfleisch gefüllt, die Wurstdärme werden vom Metzger sorgfältig gefüllt. Eine verantwortliche Aufgabe ist das Wurstbinden (wehe, wenn später eine Wurst abrutscht!). Die Hackfleischmasse wird zunächst als Bratwurst in dünne Därme gefüllt, nach einem Nachsalzen sind die mittelgroßen rund abgebundenen Würste an der Reihe, dann kommen die „Stracken“ an die Reihe. Als Besonderheiten gibt es dann noch die am längsten haltbare Schmalzhaut (dafür wird die seröse Haut vom Schmalz abgezogen und zur Wurstpelle zusammengenäht) und der Fettdarm.
Irgendwann wird die Produktion der „roten Wurst“ durch das Mittagessen unterbrochen. Früher gab es in der Regel ganz frische Frikadellen, inzwischen gibt es meistens Kassler oder Gulasch.
Die Hausschlachtung nannte man früher Schlachtfest, wie man sieht hat das Ereignis viele Zuschauer angezogen, im Hintergrund wird auch schon die Kornflasche rumgereicht. Bei jeder Schlachtung wurden auch die Nachbarn mit einer Wurstsuppe mit Einlage bedacht.
Würste im Wurstkessel kochen. Blut- , Leber- und Sülzwurst mussten im Kessel sieden. Hier überwacht Fr. Herzig den Kochvorgang und schöpft dabei das Wurstfett ab (Wildeck - Bilder aus vergangener Zeit - facebook)
Kesselfleisch oder Wellfleisch wird traditionell unmittelbar nach der Schlachtung in einem Kessel zubereitet. Foto: Wikimedia Commons/KarlGruber Lizenz CC BY-SA 4.0.
Danach ist das Kesselfleisch gar und wird vom Metzger für die einzelnen Wurstsorten aufgeteilt: Speck, Zunge, Innereien und noch an den Kochen haftendes Muskelfleisch für Leber- und Blutwurst, die Köpfe für die Sülze, die Schwarten für das Weckewerk.
Zunächst geht es an die Produktion der Leberwurst. Zu dem beschriebenen Kochfleisch kommen die Leber und Zwiebeln, als besonderes Gewürz Majoran in großen Mengen dazu. Ein Teil der Masse wird nach dem Durchdrehen für die Blutwurst abgezweigt und durch Blut und grobe Speckwürfel ergänzt. Blut- und Leberwurst werden in mittelstarke Därme und Blasen sowie Weckgläser eingefüllt. Die Sülze wird aus Kopffleisch, ausgeschältem Eisbein, Gehacktes, dazugekauften Rindfleischwürfeln und Fleischbrühe angemengt. Gewürzt wird mit Salz, Pfeffer, Muskat, Senfkörnern und Kümmel. Abgefüllt wird in gerade Därme, Blasen, dicke Kunstdärme und Weckgläser. Als letztes wird die Weckwurst produziert. Ein über die Jahre immer größer gewordener Teil Gehacktes wird mit immer weniger Schwarten, Zwiebeln und altem Weißbrot durchgedreht und mit Salz, Pfeffer, Muskat, Knoblauch und Majoran gewürzt. Für den baldigen Verbrauch wird ein Teil in Bratwurstdärme abgefüllt, der Rest wird eingekocht oder eingefroren.
Für den Hausschlachter und seine kräftigen Helfer ist die Arbeit damit beendet. Einer der älteren Männer bewacht die 1 ½ bis 2 ½ Stunden lang kochenden Blut- und Leberwürste und Sülzen, die Frauen haben die unangenehme Aufgabe des Aufwaschens und Reinigens der Räumlichkeiten. Auch das Auslassen des Fettes und das Einkochen der Wurstkonserven gehört in der Regel zu ihrem Aufgabenbereich.
Die in Därme gefüllte Wurst erfordert in den folgenden Wochen und Monaten noch einiges an Aufmerksamkeit: Sie wird mit Buchholzmehl geräuchert und kühl und luftig gelagert. Schimmelansätze müssen regelmäßig abgewaschen werden. Erst wenn die “rote Wurst” gut gereift und “knüppelhart” ist, darf sie als “Ahle Wurscht”, also alte Wurst bezeichnet werden.
So sieht es nach der Hausschlachtung aus, die Schwartewurst und Stracken sind zu erkennen, einige sind bereits geräuchert
So sieht es nach der Hausschlachtung aus, links steht noch die Holzmulde
So sieht es nach der Hausschlachtung aus, links steht noch die Wurstmaschine
Geblieben ist über all die Jahre der ganz besondere Geschmack der „Ahlen Wurscht“ aus der Wurstkammer und der Räucherkammer. Neben der Selbstversorgung mit Wurst von hoher Qualität und der Bewahrung eines sehr vertrauten Geschmackes hatte das Festhalten am Hausschlachten noch eine soziale Bedeutung: es war das einzige Mal im Jahr, dass die Großfamilie zu einer gemeinsamen Arbeit mit fest eingespielten Rollen und einem anschließenden gemeinsamen Fest zusammen kam. Der „Schlachtekohl“ am Abend muss nach wie vor sein. Es gibt eine Fleischbrühe mit Gehacktesklößchen und selbstgemachten Nudeln, frisches Gehacktes, Frikadellen, Kopffleisch und Sauerkraut und jede Menge Geschichten aus dem Familienrepertoire.
Wie lange sich die Tradition des Hausschlachtens auf dem Dorf noch hält ist ungewiss; zum Einen schmeckt die Ware vorzüglich, zum Anderen ist aber jedem klar, dass ein Zuviel an Schweinefleisch einen Herzinfarkt begünstigt. Hausschlachter und Schlachte-Bauern sind nach den Grabinschriften auf den Friedhöfen selten uralt geworden!
Quellen:
- Wikipedia - https://de.wikipedia.org/wiki/Hausschlachtung
- Gerhard Schneider-Rose aus Bebra-Breitenbach, Vorstandsmitglied des Fördervereins Nordhessische Ahle Wurscht e.V.
- Wildeck - Bilder aus vergangener Zeit - facebook
Mit dem Handwagen wird das Schlachtzeug zum nächsten Termin gefahren, die Wurstmaschine und der Fleischwolf ist zu erkennen