Monte Kali
Chronik 3 > Bergbau
Durchatmen - im Land der weißen Berge
Stadt Heringen will den Tourismus mit einem Erlebnispark ankurbeln / "Irgendwann ist da unten nichts mehr"
Wenn die Sonne scheint, leuchtet er von weitem wie ein schneebedeckter Gipfel. Touristen, die den 200 Meter hohen "Monte Kali" in Heringen im Werratal besteigen, stehen oben mitten in einer bizarren Salzwüste und genießen den Blick über die hessische und thüringische Landschaft. Die Halden aus nicht verwertetem Salz werden im "Land der weißen Berge" in Nord- und Osthessen immer größer - ein Zeichen für den wieder florierenden Salzbergbau, aber auch für die Umweltbelastung in der Region. Die Stadt Heringen sieht den Berg aus etwa 80 Millionen Tonnen Gestein mitten im Wald nicht als Übel an, sondern will den Tourismus dort mit einem Erlebnispark ankurbeln.
Der Kali+Salz-Konzern in Kassel will seine Halden in Philippsthal und Heringen an der thüringischen Grenze kräftig erweitern. Täglich werden 20 000 Tonnen des Salzabfalls aus der Tiefe über ein Kilometer langes Förderband auf Halde geschickt. Die Produktion in den Kaliwerken - vor allem wird Düngemittel hergestellt - stünde vor dem Aus, so heißt es, wenn die Salzriesen nicht mehr wachsen könnten.
Der „Monte Kali“ über Widdershausen wächst jetzt in Richtung „Zinkesgraben“ (2001)
"In Hattdorf reicht die Kapazität noch bis Ende nächsten Jahres", sagt Konzernsprecher Ulrich Göbel. Dort brauche das Unternehmen eine zusätzliche Fläche von 34,5 Hektar, die dann bis 2025 ausreiche. Bedenken melden bei einer Ausbreitung der Salzberge immer wieder Umweltschützer an. Die Werra, die wegen der Abwässer aus den thüringischen Kaliwerken in der früheren DDR einst zur Salzkloake verkommen war, hat sich nach den Zechenstilllegungen und dank neuer Verfahren erholt. Seit Mitte der 70er Jahre wird das Salz trocken getrennt, die riesige Menge des verunreinigten Kochsalzes wird seitdem zu Halden aufgeschüttet. Eine Verwertung ist nach Auskunft des Unternehmens nicht profitabel. Ein Teil des salzhaltigen Abwassers, das an den Halden abfließt, leitet K+S in ein Plattendolomit tief unter die Erde, ein Teil fließt noch immer in die Werra. Der Naturschutzbund in Hessen hält die Versenkung im Plattendolomit für eine Gefahr für das Grundwasser, da der Speicher durchlässig sei. Das Trinkwasser in der Umgebung könne versalzen, befürchten die Umweltschützer.
"Die weißen Berge als Wahrzeichen der Region werden Jahrhunderte lang ein Erbe der Kali-Industrie bleiben, selbst wenn an der Werra die Ausbeute unter Tage in etwa 50 Jahren beendet ist. "Irgendwann ist da unten nichts mehr, dann brauchen die Leute neue Arbeitsplätze", sagt der Heringer Bürgermeister Rolf Pfromm (SPD). K+S ist bislang im Kreis Hersfeld-Rotenburg der wichtigste Arbeitgeber. Um neue Arbeitsplätze zu schaffen, unterstützt Bürgermeister Pfromm einen geplanten Freizeitpark am Fuß der Salzhalde, rechnet jedoch auch mit Protest von Bürgern und Umweltschützern.
Derzeit wird in einer Studie geprüft, ob sich das Großprojekt auf einem Gebiet von 90 Hektar in der 6500 Einwohner großen Stadt lohnt. In einem Freizeitpark sollen sich einmal Scharen von Touristen tummeln. Paragliding sei denkbar oder Touren durch den Berg. "Das Salz ist ja gut für die Atemorgane", meint Pfromm. Bislang erklimmen jährlich tausende Besucher den künstlichen Berg vor allem wegen der guten Aussicht.
Quelle: Frankfurter Rundschau vom 23. Mai 2001, Seite 40