Gottfried Seume - Widdershausen aktuelles Projekt

Chronik Widdershausen
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Gottfried Seume

Chronik 3 > Kriege
Johann Gottfried Seume als Grenadier im Dienst von Hessen-Kassel
Der Dichter Seume wurde am 29.1.1763 in Poserna bei Weißenfels als Bauernsohn geboren. Als der Vater starb, nahm sich der Graf Hohenthal-Knauthain seiner an, schickte ihn nach Borna auf die Schule, auf die Nikolaischule in Leipzig und im Oktober 1780 auf die dortige Universität, wo er Theologie studieren sollte. Im Juni 1781 aber verließ er heimlich Leipzig. Er wollte zu Fuß nach Frankreich, um in Metz die Artillerie­schule zu besuchen um womöglich Offizier zu werden.
Notgeld der Stadt Vacha mit einer Abbildung des Gasthauses zum Sachsenheim, dort befand sich das Siechenhaus, in welchem im Mittelalter viele Pestkranke ihre letzten Tage verbrachten. 1781 fiel hier der Dichter Seume in die Hände hessischer Werber
Johann Gottfried Seume (geb. 29. Januar 1763 in Poserna, Kursachsen; gest. 13. Juni 1810 in Teplitz, Böhmen) war ein deutscher Schriftsteller und Dichter. Er wurde vor allem bekannt durch sein Werk "Spaziergang nach Syrakus".
In der DDR erschien eine Marke (MiNr 952) in einer Serie "Berühmte deutsche Schriftsteller und Opernkomponisten" Für Johann Gottfried Seume. Die Marke zeigt ihn und eine Szene aus seinem Werk "Spaziergang nach Syrakus".
Die Mutter suchte ihn mit Hilfe einer Zeitungsanzeige im Juli, als der Sohn schon, von hessischen Werbern im „Gasthaus zum Sachsenheim“ in Vacha/Philippsthal aufgegriffen, mit Schicksalsgenossen in der Festung Ziegenhain auf den Abtransport nach Amerika wartete.
Schon in Vacha bei Eisenach wurde er wider seine Absicht, aber wohl nicht wider seine Neigung von hessischen Soldatenwerbern (zwangs-)rekrutiert und als Söldner an England verkauft, das Truppen für den Krieg in Nordamerika benötigte.
Die Weserböcke brachten die Soldaten auf der Weser nach Bremerlehe/Bremen. Das Seeschiff war dann 22 Wochen bis Halifax unterwegs, wo es Ende September eintraf. Ende Februar 1776 war bereits das größte Kontingent hessischer Soldaten nach Amerika gegangen. Der Nachschub 1782 wurde nicht mehr eingesetzt. Seume wurde nicht zum Offizier befördert, er verbrachte seine Tage mit Offizieren im Lager und auf der Jagd. 1783 wurde Friede geschlossen, die USA wurden von England anerkannt.
Johann Gottfried Seume, Aus meiner Welt: Ein Spaziergang, von Heide Hollmer, dtv, 2010
Buchtitel der Biographie von Eberhard Zänker im Verlag Faber & Faber, August 2005
Im Oktober/November 1783 erfolgte der Rücktransport. Seume aber desertiert bei der Rück­kehr an der Küste, wird von preußischen Werbern nach Emden gebracht und zum Tode verurteilt. Nach weiteren Fluchtversuchen wurde er zu zwölfmaligem Spießrutenlaufen verurteilt, am Ende jedoch gegen Kaution von 80 Talern eines Bürgers freigelassen.

1793 ist er Sekretär des russischen Generals Igelström in Warschau. Er wird (endlich) Offizier bei den Grenadieren, wird im Freiheits­kampf der Polen gegen die Russen von den Polen gefangen genommen, kann aber fliehen. Als Zarin Katharina II. 1796 stirbt, wird Seume entlassen und arbeitet seitdem als Schrift­steller, Übersetzer, Lektor und Begleiter. Im Dezember 1801 bricht er zu seinem "Spaziergang nach Syrakus" auf, dessen literarische Umsetzung ihn auf einen Schlag berühmt macht. Am 13.6.1810 ist Seume in Teplitz gestorben. Er schrieb auch eine Selbstbiographie „Mein Leben“, die nach seinem Tod gedruckt wurde. Darin beschimpft er an vier Stellen den Landgrafen Friedrich II. als Soldatenhändler und Seelenverkäufer:

"Ich ging also nach Berichtigung meiner Schulden fort, ohne irgend jemand eine Silbe gesagt zu haben. Den Degen an der Seite, einige Hemden auf dem Leibe und im Reisesacke und einige Klassiker in der Tasche, marschierte ich zwar ganz rüstig und leicht , aber nichts weniger als ruhig durch die Dörfer nach Dürrenberg, setzte dort über die Saale, ging über das Schlachtfeld bei Roßbach und blieb die erste Nacht in einem kleinen Dorfe bei Freiburg, das, glaube ich, Zeugefeld hieß. [...] Den dritten Abend übernachtete ich in Vach (Vacha an der Werra), und hier übernahm trotz allem Protest der Landgraf von Kassel, der damalige große Menschenmäkler, durch seine Werber die Besorgung meiner ferneren Nachtquartiere nach Ziegenhain, Kassel und weiter nach der neuen Welt. [...] Niemand war damals vor den Handlangern des Seelenverkäufers sicher; Überredung, List, Betrug, Gewalt, alles galt. Man fragte nicht nach den Mitteln zu dem verdammlichen Zwecke. Fremde aller Art wurden angehalten, eingesteckt, fortgeschickt. [...] Am Ende ärgerte ich mich weiter nicht; leben muß man überall: wo so viele durchkommen, wirst du auch: über den Ozean zu schwimmen war für einen jungen Kerl einladend genug; und zu sehen gabe es jenseits auch etwas. [...] Endlich ging es von Ziegenhain nach Kassel, wo uns der alte Betelkauer [gemeint ist der Landgraf] in höchst eigenen Augenschein nahm, keine Silbe sagte und uns über die Schiffbrücke der Fulda, die steinerne war damals noch nicht gebaut , nach Hannöverisch-Münden spedierte. Unser Zug glich so ziemlich Gefangenen; denn wir waren unbewaffnet, und die bewehrten Stiefletten-Dragoner und Gardisten und Jäger hielten mit fertiger Ladung Reihe und Glied fein hübsch in Ordnung. Ich genoß, trotz der allgemeinen Mißstimmung, doch die schöne Gegend zwischen den Bergen am Zusammenfluß der Werra und der Fulda, die dort die Weser bilden, mit zunehmender Heiterkeit. Das Reisen macht froher, und unsere Gesellschaft war so bunt, daß das lebendige Quodlibet alle Augenblicke neue Unterhaltung gab. So ging es denn auf sogenannten Bremer Böcken den Strom hinab. [...] So fuhren wir denn den ganzen Strom hinab von Münden bis zu Bremerlee, wo uns die englischen Transportschiffe erwarteten. In Münden auf der Wiese besichtigte uns der Mäkler Fawcet, und es gab von den Dragoner -Unteroffizieren und Gardisten einige freundliche Rippenstöße, weil wir nicht laut und voll und sonorisch genug: "Es lebe der König!" schrien."
Skizze eines Oberweserkahns mit dem die Soldaten nach Bremerlehe verschifft wurden
Seume hat von seinen Erlebnissen auf der Seereise folgende Beschreibung hinterlassen:
 
 „In den englischen Transportschiffen wurden wir gedrückt, geschichtet und gepöckelt wie die Heringe. Um Platz zu sparen hatte man keine Hängematten sondern Verschlage in der Tabulatur des Verdecks, das schon niedrig genug war, und nun lagen noch zwei Schichten übereinander. Im Verdecke konnte ein ausgewachsener Mann nicht gerade stehen und im Bettverschlage nicht gerade sitzen. Die Bettkasten waren für je sechs Mann. Wenn vier darin lagen, waren sie voll und die beiden letzten mussten hineingezwängt werden. Das war bei warmem Wetter nicht kalt : es war für den Einzelnen gänzlich unmöglich sich umzuwenden und ebenso unmöglich auf dem Rücken zu liegen. Die geradeste Richtung mit der schärfsten Kante war nötig. Wenn wir so auf einer Seite gehörig geschwitzt und gebraten hatten, rief der rechte Flügelmann: Umgewendet! und es wurde um geschichtet : hatten wir nun auf der andern Seite quantum satis ausgehalten, rief das nämliche der linke Flügelmann. Die Verpflegung hielt gleichen Schritt mit der Unterbringung. Heute Speck und Erbsen und morgen Erbsen und Speck; zuweilen Grütze und Graupen und zum Schmause Pudding, den wir aus muffigem Mehl halb mit See Wasser, halb mit süssem Wasser und altem Schöpsenfett machen mussten.
Das Gymnasium in Vacha trägt seit 1949 den Namen "Johann Gottfried Seume", 1781 fiel hier der Dichter Seume in Vacha in die Hände hessischer Werber
Der Speck mochte wohl vier oder fünf Jahre alt sein, war von beiden Seiten am Rande schwarzstriefig, weiter hinein gelb und hatte nur in der Mitte noch einen kleinen weissen Gang. Ebenso war es mit dem gesalzenen Rindfleisch. In dem Schiffsbrot waren oft viele Würmer, die wir als Schmalz mitessen mussten, wenn wir nicht die schon kleine Portion noch mehr reduzieren wollten : dabei war es so hart, dass wir nicht selten Kanonenkugeln brauchten es nur aus dem gröbsten zu zerbrechen; und doch erlaubte uns der Hunger selten, es einzuweichen; auch fehlte es oft an Wasser. Man sagte uns, und nicht ganz unwahrscheinlich, der Zwieback sei französisch; die Engländer hätten ihn noch im siebenjährigen Kriege den Franzosen abgenommen, seit der Zeit habe er in Portsmouth im Magazin gelegen, und nun füttere man die Deutschen damit, um wieder in Amerika die Franzosen unter Rochambeau und Lafayette, so Gott wolle, tot zu schlagen. Gott muss aber doch nicht recht gewollt haben. Das schwergeschwefelte Wasser lag in tiefer Verderbnis. Wenn ein Fass heraufgeschroten und aufgeschlagen wurde, roch es auf dem Verdeck nach einer Mischung von allen möglichen Übeln Gerüchen. Es war angefüllt mit fingerlangen Würmern, und es musste durch Tücher gefüllt werden, bevor man es trinken konnte: und dann musste man immer noch die Nase zuhalten. Rum und manchmal ein wenig starkes Bier verbesserten das Getränk." Auf diese Weise zusammengepfercht, in dicker Luft, mit schlechter Nahrung und faulem Wasser, viele von ihnen ungenügend bekleidet, wurden diese Jünglinge, alten Leute, Studenten, Kaufleute und Bauern Monate lang auf dem Atlantischen Ozean herumgeworfen. Viele von den Leiden der Reise waren zweifellos unvermeidlich, und viele von den Rekruten waren schon an ein hartes Leben gewöhnt. Aber Vieles, was sie zu erdulden hatten, war das Resultat von einem absichtlichen Mangel an Fürsorge und grosser Habsucht. Was soll man sagen über das britische Quartiermeister-Departement, das diese Leute auf die See schickte ohne richtiges Essen und Trinken? Was vom Herzog von Braunschweig, welcher seine Unterthanen nach Canada ohne haltbare Schuhe und Strümpfe schickte und ohne Mäntel ? Oft haben Menschen ein hartes Leben freudig ertragen, weil sie den Grund verstanden. Aber diese armen Kerle litten für einen Streit, der nicht ihr eigener war, nur um für die Mittel zu sorgen zur Bezahlung der Schulden oder der Vergnügungen ihrer Herren.
Johann Gottfried Seume, Spaziergang nach Syrakus, Insel Taschenbuch, 2010
Johann Gottfried Seume, Portrait von Veit Hanns Friedrich Schnorr von Carolsfeld (11 May 1764–30 April 1841).
Johann Gottfried Seume un der Freiherr Karl von Münchhausen hatten sich 1781 bei den hessischen Truppen in Amerika kennengelernt.
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